(Durchgeführt im Sommer 2020 bei geöffneten Grenzen)
Anfang September. Es ist warm und so ist es auch für die nächsten Tage gemeldet. Ich will nach Tschechien, drei Tage. Hatte ich schon länger vor, aber immer kam was dazwischen. Jetzt passt es. Also schnell das Rad bzw. die Bikepackingtaschen gepackt. Ich bin da recht minimalistisch unterwegs. Dabei habe ich eine wasserdichte 10 l Satteltasche von Waterfly, sowie die Ortlieb Accesory-Pack Tasche für den Lenker. Das alles reicht für zwei langärmlige Shirts, Regenjacke, Unterwäsche, Ersatzshirt kurz, Werkzeug, Snacks, Badelatschen und natürlich Kamera und Ladekabel. Schlafen werde ich in Zimmern, welche ich via Airbnb kurzfristig buche.
Auf geht´s. Über Wege und Felder hinauf zur Morgenleithe. Von da aus über Jägerhaus und "rote Grube" bis zu den Teufelssteinen nach Erlabrunn. Nach einer kleinen Kaffeepause strample ich weiter hinauf zur Kammloipe. Diese erstreckt sich über 36 km von Johanngeorgenstadt im Erzgebirge bis nach Schöneck im Vogtland. Gesäumt von endlosen Wäldern schlängeln sich mein Rad und ich, bei 30 Grad im Schatten, über diese Schotterwege bis nach Klingenthal. Bevor ich, dort angekommen, talabwärts Richtung Grenze fahre, gönne ich mir auf der Aschbergalm ein wohlverdientes "Kaltgetränk". Dabei ist der Blick über Klingenthal, mitsamt seiner Weltcup-Sprungschanze, einfach traumhaft.
Die Fahrt geht weiter Richtung Grenze. Da mir die Wege hier unbekannt sind, muss ich bis auf Weiteres der Hauptstraße folgen. Tschechien zeigt sich vorerst von der eher unattraktiven Seite. An den Straßenrändern befinden sich die typischen, vereinzelten Duty-Free Shops und Tankstellen, an der "preisbewusste" Deutsche anstehen. Ein normaler deutsch-tschechischer Grenzort eben. Leicht genervt von dem Anblick und der Hauptstraße, der ich weiter folgen muss, lasse ich den Ort hinter mir. Dieser unspektakulären, jedoch glücklicherweise wenig befahrenen Straße folge ich weitere 20 Kilometer, um kurz vor Sokolov zwangsläufig auf eine zweispurige Schnellstraße abzubiegen. Jetzt angepisst von den tschechischen "Schumis", die an mir vorbeifliegen, trete ich so fest ich kann, um das Stück bis Sokolov hinter mich zu bringen. Ist ja zum Glück nicht weit und die Straße wirklich breit. Ach ja Sokolov, die wahrscheinlich hässlichste Stadt Tschechiens, hat außer Tagebau und Plattenbau nicht wirklich viel zu bieten. Zumindest bin ich an der Eger und es geht ab jetzt wieder auf Radwegen weiter.
Mein heutiges Ziel ist jetzt noch acht Kilometer entfernt. Ich folge der Eger und werde für meine bisherigen Mühen nochmals belohnt. Natur, Wasser, Wald und so gut wie keine Menschen. Geschafft, vor mir öffnet sich Loket, diese kleine malerische Stadt mit ihrer Burg, welche auf einem Felsen oberhalb der Eger trohnt. Neben der Burg findet man im Stadtkern unzählige Restaurants und ein paar kleine Brauereien. Hier wurden im Jahr 2000 sogar Szenen von "Casino Royal" gedreht. Ich beziehe mein Quartier und genieße einen entspannten Abend im Stadtzentrum, bei gemütlicher Atmosphäre sowie leckerem Essen und Trinken.
Tag Zwei.
Nach einem guten Frühstück schwinge ich mich gegen neun auf mein Rad. Es geht nach Karlovy Vary, ab wo mein Nachbar Mario, der mit dem Zug dorthin kommen will, mich begleiten möchte. So lasse ich Loket hinter mir und fahre auf gut ausgebauten und gut beschilderten Wegen in Richtung Mario. Bis Karlovy Vary sind es zehn Kilometer, welche ich aufgrund der schönen Landschaft mit nur gemäßigtem Tempo zurücklege. Mario treffe ich dann, wie vereinbart, im Zentrum der Stadt. Karlovy Vary, ebenfalls Drehort für den 007 Streifen, ist eine traumhaft schöne Stadt, welche jedes Jahr tausende Touristen mit ihren zahlreichen Attraktionen lockt. Da wir die Stadt kennen und es uns dort zu hektisch ist, brechen wir nach kurzer Pause auf, um uns unserem Tagesziel, Kadan, weiter zu nähern.
Von nun an schlängelt sich die Eger durch eine malerische Landschaft. An Zeltplätzen und Bungalows vorbei durchqueren wir die Orte Kyselka und Radisov. Und natürlich dürfen auch ein erster Badestopp und ein kaltes tschechisches Gambrinus nicht fehlen. Bei Jakubov verlassen wir die Eger und folgen dem Radweg, der uns rechts oberhalb des Flusses über Felder und Wiesen durch das tschechische "Hinterland" führt. Immer wieder erhaschen wir dabei Blicke ins Egertal. Nach wenigen Kilometern geht es wieder hinunter an die Eger. Wir finden eine traumhaft schöne Stelle zum Baden. Werden aber nach zehnminütigem Bad, leicht "rüpelig" von einem älteren Herren aufgefordert, zu gehen. Privatgrundstück! Ok, dann eben weiter.
Der Radweg, der uns Richtung Ziel führt, ist wirklich gut ausgebaut und so sind wir auch recht schnell die 40 Kilometer bis Klasterec, einer kleinen und schönen Klosterstadt, gefahren. Links und rechts des Flusses zeigen sich immer wieder traumhaft gelegene Bungalows und Wochenendhäuschen sowie einige versteckte Schätze. Auch mein persönlicher Lieblingsfleck ist darunter. Versteckt hinter Bäumen, direkt am Radweg, kurz nach Klasterec, bekommt man einen wunderschönen Blick auf einen gegenüberliegenden Felsen. Dieser ist übersät mit Grafittis und an die rechte Seite grenzt ein kleines Dorf. Im Sonnenlicht des späten Nachmittags zeigt dieser seine ganze Schönheit. Geflasht von solchen Orten nehmen wir die letzten Kilometer nach Kadan in Angriff und erreichen die Stadt über einen spektakulären, an einem Felsen angebrachten Radweg aus Gitterrosten.
So erreichen wir glücklich und zufrieden am frühen Abend Kadan. Wir machen ein paar Bilder von einer Brücke aus. Danach radeln wir ins Zentrum und beziehen unsere Unterkünfte. Nach Dusche und kurzem Ausruhen treffen wir uns im Zentrum der Stadt zum Essen. Und nach so einem Tag gibt es dann auch mal ein Bier mehr. Neben unseren Mägen füllt sich das Zentrum von Kadan auch zunehmend. So enden wir beide am späten Abend in einer diskoähnlichen Cocktailbar. Wir sind zwar die Ältesten, aber das ist uns herzlich egal. Wir lachen sehr viel, trinken ein oder zwei Getränke und lassen einen wunderschönen Radtag ausklingen.
Tag Drei.
Nach dem Frühstück in meinem tschechischen Airbnb-Domizil und einer wenig gesprächigen Gastgeberin, trete ich gegen halb zehn durch die Eingangstür der Pension auf den Marktplatz von Kadan. Das Bild, das sich mir bietet, ist ähnlich dem in meinem Hirn. Stark bewölkt. Wieder einmal haben alle Wetterapps gelogen. Egal, Mario geht es ähnlich und geteiltes Leid ist halbes Leid. Im noch Trockenen starten wir unsere Etappe gen Heimat. Weit kommen wir nicht, bis wir das erste Mal unsere Regenjacken hervor holen müssen. Kurz unterstellen, dann weiter. Es geht zurück nach Klasterec, von wo aus wir bergauf fahren wollen in Richtung Medenec. Die Regenintervalle werden immer kürzer und wir beschließen, die Regenjacken gleich anzulassen.
Hinter Klasterec geht es ca. 12 Kilometer relativ steil hinauf nach Medenec. Trotzdem ist das noch der entspannteste Weg zurück nach Haus. Der Plan ist, über die Talsperre Christophhammer und Bärenstein zurückzufahren. Doch der jetzt dauerhafte Regen vermasselt uns diesen. Schon am Anstieg hoch nach Medenec sind wir durch bis auf die Knochen. Wir entscheiden uns spontan für die andere Richtung, um über Oberwiesenthal nach Hause zu fahren, da dieser Weg kürzer ist. Es gießt jetzt wie aus Eimern. Oben in Medenec angekommen werden wir auf ein Dorffest bzw. Oldtimertreffen aufmerksam und wollen aufgrund der Regensituation einen Stopp einlegen. Gesagt, getan. Auf den Tscheche und seine Feste ist eben Verlass. Es gibt was zu Essen, was zu Trinken und was zum Unterstellen, wenn auch nur ein Zelt.
Für den ersten Moment fühlen wir uns gut. Ich kann meine Kleidung wechseln und lange Sachen anziehen. Mario hat wie immer zu wenig mit, kann aber wenistens auf ein langes Shirt zurückgreifen. Die Wetterapps haben sich aktualisiert und sind sich jetzt einig. Es wird weiter regnen. Na schönen Dank auch. Das Fest ist nicht sonderlich gut besucht und je länger wir stehen, desto kälter wird uns. Wir fangen sogar an richtig jämmerlich zu frieren. Mitten im Sommer! Aber es zählt nix, wir müssen weiter. Hier rumstehen macht es nicht besser. Also ab auf´s Rad und weiter. Kaum wieder in Bewegung werden, auch die fast abgefrorenen Finger wieder warm. So geht es immer leicht bergauf, durch kleine Dörfer und Wälder, der Hauptstraße folgend, zum Keilberg. Keiner außer uns ist jetzt mit dem Rad unterwegs. Was völlig einleuchtend ist.
Zwanzig Kilometer später erreichen wir den Fuß des Keilbergs, lassen diesen links liegen und fahren nach Oberwiesenthal. Da die Gaststätten offen haben dürfen, schlage ich vor, ins Prijut nach Othal zu fahren. Eine kleine urige Holzhütt, mit gutem Essen und von sehr netten Menschen betrieben. Dort angekommen haben wir endlich die Chance, uns im Trockenen richtig aufzuwärmen und eine gute Mahlzeit einzunehmen. So ist es auch kein Wunder, dass sich auch unsere Stimmung wieder bessert. Ja selbst das Wetter stellt Besserung in Aussicht. Und so fahren wir, begleitet von den letzten Regentropfen, über den Brandberg hinunter nach Tellerhäuser und Rittersgrün. Nach einem kurzen Stopp bei Freunden radeln wir straff auf Schwarzenberg zu. Mittlerweile ist es wieder sonnig, so erreichen wir Schwarzenberg mit breitem Grinsen im Gesicht, inmitten in der Abendsonne.
Home sweet home. Bei einem letzten "Feierabendbier" lassen wir den Tag Revue passieren. Und so endet auch dieser Tag wieder mit viel Lachen und rundum zufrieden. Hinter mir liegen drei Tage, 229 km und ca. 2500 hm. Wie immer zählt aber das Erlebte 1000x mehr als irgendwelche Zahlen. Deswegen ist es am Ende auch egal, ob es geregnet hat oder nicht....in Erinnerung bleiben eh immer die schönen und manchmal auch die frostigen Momente ;)
Glück auf
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