Hier ist ein Erfahrungsbericht meiner letzten Radreise, welche mich und meinen Nachbarn Mario über knapp 1000 Kilometer entlang der Cote´D Azur und Costa Brava von San Remo nach Barcelona führte, und mit dem Diebstahl meines Rades endete... aber lest selbst.
Viel Spaß!
Vorbereitung (Vorsicht Nerdsachen - zum überspringen hier
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Es ist das Jahr 2021. Wir stecken also noch voll in der Pandemie. Na ja, aufgrund von Impfungen und Tests ist ja Vieles schon wieder möglich. So hatten mein Nachbar Mario und ich schon seit einer Weile überlegt, gemeinsam eine „längere“ Radreise zu machen. Wir beide könnten nicht unterschiedlicher in unseren Lebensweisen sein. Er ist eher der durchgeplante Sicherheitstyp und mein persönlicher „Lieblingsnerd“. Ich bin da eher etwas chaotischer und blauäugiger unterwegs. Aber in Sachen Geisteshaltung, Weltanschauung und der Art zu reisen, ticken wir beide gleich.
Mario möchte gern mit dem Rad nach Sardinien. Mich hingegen zieht es eher Richtung Balkan. So einigen wir uns einige Tage und nicht wenige Kaltgetränke später darauf, im Juli zu starten und an der Cote´D Azur entlang von San Remo nach Barcelona zu radeln. Da heißt in Zahlen: knapp 1000 Kilometer und ca. 6000 Höhenmeter (macht der Erzgebirger natürlich mit links). Zeit dafür haben wir 16 Tage. Aber wir wollen es gemütlich angehen lassen. Erstens ist es Mitte Juli und es könnte warm werden. Und zweitens sind wir nicht auf der Flucht und wollen es genießen. Sowas macht man schließlich meist nur einmal.
Da wir öfter schon Tagestouren um die 80 -100 Kilometer gemeinsam absolviert haben, machen wir uns rein hinsichtlich unserer Fitness nicht so viele Sorgen. Dann doch eher in Sachen Hitze und der mentalen Herausforderung.
Zu unseren Bikes: Mario besitzt ein Scott Fitnessbike, welches er sich im Laufe des letzten Jahres zu einem Gravelbike umgebaut hat. Mit Shimano GRX Schaltung und Bremsen und dem ganzen Firlefanz. Mein Rad ist ein Cube Cross Race, welches ebenfalls die GRX Komponenten besitzt. Sorry, ich bin eben nicht der Technikfreak und will die technische Ecke hier auch nur grob anschneiden. Fakt ist, dass unsere Räder minimalistisch, aber grundsolide und gut ausgestattet sind.
Bei den Bikepacking-Komponenten setzt Mario durchweg auf Taschen von Ortlieb Waterproof. So befinden sich an seinem Rad eine Lenkertasche, in der sich Zelt und Co. befinden. On top auf dieser Tasche hat er den Accessory-Pack, in welchem er Kleinsachen und Snacks aufbewahrt. Am Oberrohr des Rahmens hat er den Framepack, welcher die Hälfte des Rahmens einnimmt. Dort bewahrt er Reparatursachen, Luftpumpe und diverses Radzubehör auf. Als Cockpittasche für Geldbörse und Co. nutzt er die Restrap Top Tube. An einem selbstgebauten Gepäckträger am Hinterrad hat er mittels Halterung von Topeak, einen 7l Ortlieb Drypack befestigt, in dem sich der Schlafsack befindet. Auf der anderen Seite hängt ein Ortlieb Gravelpack, gefüllt mit den Waschsachen. Komplettiert wird sein Setup durch eine 16l Ortlieb Saddle Bag, in der sich die Klamotten befinden.
Mein Setup besteht aus einer Vaude Lenkertasche (16 l) für Zelt, Regenjacke und Beinlinge. Am Lenker hängen ebenfalls zwei NC-17 Snacktaschen, welche ich für meine Trinkflaschen nutze. Im Rahmen meines Fahrrads hängt eine Moostreck Full Frame Bag, in der ich sämtliches Reparatur- und Fahrradzubehör aufbewahre. Auch ich besitze die Restrap Toptube Bag, in der ich mein Handy und ein paar Snacks aufbewahre. Am Hinterrad prangt ebenso ein selbstgebauter Gepäckträger, an dem bei mir zwei 7 l Ortlieb Drypacks hängen. Einer für den Schlafsack und Waschsachen, auf der anderen Seite anfangs ein paar Klamotten, später die Dreckwäsche. Komplett wird meine Ausstattung durch eine 12 l „Arschrakete“ von Vaude, in der sich meine Klamotten befinden. Beide Bikes wiegen so ausgestattet um die 25 kg. Ich kann jetzt schon verraten, dass sich beide Setups als absolut tauglich bewährt haben, und wir damit null Probleme hatten. Sicher gibt es kleine Verbesserungen, aber im Großen und Ganzen waren wir beide damit zufrieden.
So, jetzt aber genug mit den ganzen Technik- und Nerdsachen....
...starten wir mal unsere Reise.
Tag 1 - Let´s start...
Es ist der 8. Juli 2021, morgens um 5:00 Uhr. Etwas zerknautscht laden wir unsere Taschen in Mario´s Mini Cooper ein und schnallen die Räder auf´s
Dach. Wir haben aufgrund der Vorfreude beide nicht sonderlich viel gepennt. Also los geht´s durch das verschlafene Erzgebirge auf die Autobahn in Richtung Nürnberg. Das Autoradio spielt
abwechselnd Marios Hip Hop und meinen Punkrock. Schnell einigen wir uns auf Podcasts. Besser is´ :) Es läuft alles bestens und so geht es weiter Richtung Bodensee und Schweizer Grenze. Ich
habe einen Schnelltest im Gepäck und Mario ist komplett geimpft - für den Fall, dass man uns an einer der Grenzen kontrolliert. Aber das passiert nicht. So geht es weiter durch die Schweiz
zum San Bernhardino Pass nach Lugano. Auf dem Pass werden wir von einem mächtigen Unwetter überrascht, bei dem wir sogar um die Räder auf dem Dach fürchten. Es hagelt und gießt wie aus
Eimern. Der Rasthof, auf den wir fahren wollen, ist voll mit Autos, die sich unterstellen wollen. Binnen Minuten steht das Wasser auf den Straßen und wir können unsere Fahrt nur sehr langsam
fortsetzen. Aber so schnell, wie das Wetter kam, ist es auch wieder vorbei. Und so geht es über Lugano vorbei am Comer See hinein nach Italien. Das Navi schickt uns in eine Umleitung über
Turin nach Savona ans Meer.
Und so sehen wir nach zehn Stunden Fahrt, etlichen Kaffees, vielen Maustationen und einem weiteren Unwetter
später endlich das Meer. Auch das Wetter hat sich deutlich gebessert. Die Mundwinkel gehen nach oben und bei mir das erste Bier auf. Es riecht, wie es im Urlaub eben riecht. Ein Mix aus
Sonne, Meer und fremder Vegetation.
Die Strecke bis San Remo ist jetzt nur noch ein Katzensprung und schnell hinter uns gebracht. San Remo ist eine typisch italienische Küstenstadt. Klein und verschachtelt. Wir haben unsere liebe Mühe, einen Parkplatz zu finden, um all unser Gepäck sowie die Fahrräder in unsere Airbnb Unterkunft zu bringen. Diese befindet sich mitten in der Altstadt und ist mit dem Auto nicht erreichbar. Clever gebucht, Jörg. Na ja, aber die Besitzerin ist nett und mittels Händen und Füßen klappt auch die Verständigung. Schwer bepackt und stark verschwitzt schaffen wir es, alles in unsere Herberge zu schaffen und die Räder in einem Minikeller zu verstauen. Jetzt sind wir platt! Aber es ist Urlaub. Wir duschen und dann geht es ab in die Stadt. Was zu essen finden ist nicht schwer in San Remo. So lassen wir uns Pizza und Wein schmecken und laufen danach noch kurz zum Hafen, um uns die Stadt anzuschauen. Corona? Gibs hier nicht :) Wir beschließen, uns „wohnungsnah“ noch ein Bier zu gönnen. Und schau da, welch Zufall, direkt vor unserer Unterkunft befindet sich eine Chillout Bar, welche jetzt geöffnet hat und gut besucht ist. Schnell sind sie weg, die guten Vorsätze und die Vernunft. Und ich muss gestehen, es gefällt mir, nach all dem Corona-Scheiss mal wieder eine volle Bar und tanzende Menschen zu sehen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass wir mit all unserer Konsequenz....dort versacken. Bis in die Früh um halb zwei. Na super, das geht ja gut los....
Tag 2 - Auf, auf, eat the rich...
Mit leichtem Kater wachen wir auf. War ja wieder typisch. Aber nach Dusche und zwei Bananen zum Frühstück geht es eigentlich ganz gut. Wir ziehen die Räder aus dem kleinen Keller und bestücken sie mit unserem Gepäck. Bevor wir starten, gönnen wir uns noch einen italienischen Kaffee. Besser geht Kaffee kaum. Wir manövrieren unsere Bikes aus den Gassen der Altstadt runter an den Hafen. Das Wetter ist uns hold und so schießen wir im Hafen noch ein zwei Bilder. Lange halten wir uns nicht auf, denn wir wollen es so grob bis ins 80 Kilometer entfernte Antibes schaffen. Wir verlassen San Remo auf einem wirklich gut ausgebautem Radweg, welcher uns über Promenaden, durch Tunnel und auf Küstenstraßen schnell vorankommen lässt. Hin und wieder fahren wir dabei auch auf Schotterwegen und natürlich ist auch eine Tragepassage dabei, auf der wir eine große Treppe überwinden müssen. Dann weiter auf der Hauptstraße Richtung französischer Grenze.
Sicherheitshalber hatten wir uns vorher die Anmeldeformulare ausgedruckt, welche man aufgrund von Covid wohl für die Einreise benötigen würde. Aber wir wurden einfach freundlich durchgewunken. Ok, mir ganz recht so. Die Straße schlängelt sich entlang der Küste und wir passieren Strand um Strand. Wir durchfahren super schöne Städtchen wie Menton, mit seinen bunten verschachtelten Häusern und der Badebucht davor. Der Verkehr nimmt jetzt deutlich zu und so steuern wir auf voller werdenden Straßen Monaco entgegen. Das merken wir auch an den Autos und den Booten, welche immer größer und teurer werden. Immer wieder erhaschen wir Blicke auf Monaco, das ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte. Und im nächsten Augenblick radeln wir auch schon durch den dichten Verkehr des Stadtstaates. Durch Häuserschluchten, vorbei an Geschäften, in deren Schaufenster der Wert meiner letzten drei Jahresgehälter prangt, geht es hinunter zum Hafen von Monaco. Ich hab so etwas noch nie gesehen und es ist definitiv nicht meine Welt. Krass, was da an Geld rumsteht. Fünf Wochen vorher war ich im Slum von Kampala und jetzt das. Was für ein Wahnsinn. Aber dreimal darf man raten, wo ich lieber war...mit M fängt der Ort nicht an. Von dem Geld, was hier rumsteht, könnte man wahrscheinlich ganz Uganda ein oder mehrere Jahre ernähren. In meinem Kopf spielt sofort Motörheads „Eat the rich...“. Das mal zu sehen, ist schön - aber eben nicht meins. Entlang des Rennstreckenteils des Hafens fahren wir weiter stadtauswärts.
Nächstes Zwischenziel ist Nizza. Über die Küstenstraße mit Blick auf viele kleine Buchten erreichen wir dann die Promenade von Nizza. Nach obligatorischem Foto am „Nice“-Schild, rollen wir hinunter zur Promenade und folgen dem Radweg bis zum Flughafen. Der Radweg führt uns aus der Stadt, vorbei an großen Hotels und Bausünden der 80er Jahre. Links vom Radweg das Meer und rechts eine nicht enden wollende Autoschlange welche beide Richtungen der Straße verstopft. Da es der erste Tag der Reise ist, bin ich ziemlich genervt von dem Verkehr und auch von der Entfernung. So beschließen wir, kurz vor Antibes einen Zeltplatz aufzusuchen. Die 39,- Euro sind nicht billig, aber das ist egal. Wir bekommen eine kleine Ecke zugewiesen. Ansonsten stehen auf dem Zeltplatz nur fest verbaute Wohnmobile und Häuschen. Es ist wie in der Kirche hier. Sehr clean und erschreckend ruhig. Den nächsten Schock bekomme ich beim Blick auf die Menu-Karte. Ok, entweder ist das hier „gehoben“ oder Frankreich ist einfach teuer. Nachdem unsere Zelte stehen, fahren wir nochmal raus zum einkaufen und essen. Nach dem Essen radeln wir mit ein paar Kaltgetränken an den Strand und genießen dort die Abendstimmung. So neigt sich unser erster Radtag dem Ende entgegen.
Tag 3 Hannes Cannes
Ich erwache nach erstaunlich guter Nacht in meiner „Dackelgarage“. Ja, mein Zelt ist wirklich nicht groß und die vorbeilaufenden Leuten beäugen es auch
skeptisch. Ist halt Mittel zum Zweck. Klein, leicht und ein geringes Packmaß. Wenn Abenteuer, dann richtig, Basta! Wir trinken einen Kaffee, frühstücken etwas, füllen unsere Wasserflaschen und
packen alles zusammen. Unsere Morgenroutine für die nächsten zwei Wochen. Unser Weg führt uns durch Atibes über gut ausgebaute Radweg, vorbei an Stränden, nach Cannes. Cannes, für mich der
Inbegriff der Dekadenz. Und welch Glück, es sind aktuell Filmfestspiele. Kurz vor dem Ortseingang stoppen wir, um zu pausieren. Gute, unbewusste Entscheidung, denn um die Ecke, schon in der
nächsten Bucht, ist es vorbei mit der Ruhe. Wieder werden die Jachten größer, vor allem aber die Wege voller. Filmfestspiele heißt Ausnahmezustand. Corona muss auch hier dem „Promiwahn“ weichen.
So viele Menschen habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Und so schlängeln wir uns mit unseren Rädern durch die Bereiche rings um den roten Teppich. Erst als wir diesen Abschnitt hinter uns
gebracht haben, wird es wieder ruhiger auf der Promenade.
Wir verlassen Cannes so schnell, wie wir es „betreten“ haben, und radeln weiter, durch kleine Orte mit schönen Stränden, hinauf in eine der eindrucksvollsten Landschaften. Rechts türmen sich rote Felsen auf, durch welche sich die Straße schlängelt, während man links der Straße immer wieder hinunter in kleine traumhafte Buchten blickt. Deren Wasser ist unglaublich klar und an den Stränden sind nur wenige Menschen. Es ist einfach traumhaft. Leider müssten wir, um dort baden zu gehen, unsere Bikes über lange Steintreppen hinunter tragen - und natürlich auch wieder hoch. Doch die Hitze und das Gewicht der Räder halten uns eindeutig davon ab, auch wenn es nur zu verlockend ist. Das einzig Nervige ist die Straße, auf der wir immer noch fahren müssen. Zwar hat sich der Verkehr etwas gebessert, aber wirklich schön ist es auch nicht. Nach kurzem Stopp in St. Martine geht es über Frejus weiter nach Les Isambres. Wir finden einen guten, nicht so teuren Zeltplatz, und schlagen dort unser Lager auf. Wieder werden wir angeschaut, als wären wir von einem anderen Stern. Zelte sind auch hier nicht wirklich zu sehen. Na egal, wir begeben uns an den Strand. Unterwegs haben wir definitiv Bock auf Baden bekommen. Wir lassen uns noch ein wenig Abendsonne auf den Ranzen scheinen und genießen die Atmosphäre. Im Restaurant gibt es sogar recht gute vegane Burger. Und nach eben diesen und einem weiteren Kaltgetränk legen wir uns heute etwas früher schlafen.
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