Bereits in Uganda wurde von „Skateaid“ aus angedeutet, dass ich zur Einweihung eines weiteren Skateparks eventuell mit nach Nepal kommen könne. Umso größer die Freude, als Ende Dezember die Anfrage, ob ich Zeit und Lust hätte, tatsächlich eintrat. Da sich noch dazu daheim und in meinem Leben einiges im Umbruch befand, kam mir das sehr gelegen. Nepal stand eh auf der To-Do Liste. Also Daten abgecheckt und Flug gebucht. Ich will aber etwas länger bleiben und so entscheide ich mich, aus acht Tagen 26 Tage zu machen. Leb´ ja schließlich nur einmal. Und finanziell sollte das in Nepal machbar sein. So beginnt meine Reise am....
09.02.2022
Mit gepackten Sachen, morgens 8.55 Uhr auf dem Bahnhof meiner Heimatstadt. Ich weiß gar nicht wann ich das letzte Mal in Deutschland Zug gefahren bin? Na, wird schon schief gehen. Auf die Minute genau verlässt der „Bummelzug“ den Bahnhof Richtung Zwickau. Wenn all Regionalzüge so „prall“ gefüllt sind wie dieser, muss der Lokführer auf jeden Fall um sein Gehalt bangen. Na egal. Kurz umsteigen in Zwickau und dann geht’s schon weiter nach Leipzig. Alles easy. Auch Leipzig passt wunderbar und schon bin ich zwei Stunden später im ICE nach Berlin unterwegs. Berlin Südkreuz raus, Rolltreppe hoch, sieben Minuten warten, in die S45 einsteigen, und zack die Bohne, auf dem Weg zum Flughafen. Das Gute, oder - je nach Strecke auch nicht so Gute - ist, dass man von der Bahn aus, auch meist die hässlichen Seiten eines Ortes sieht. Und da ist diese abgefuckte Stadt Berlin ganz weit vorn! Ich werde nie verstehen, warum man freiwillig in so einer Ansammlung aus Beton, Müll und Freaks lebt. Aber, leben und leben lassen. 30 Minuten später, BER. Der einzige Vorteil dieser Stadt sind die Öffentlichen, über die wohl aber jeder Berliner schimpfen wird. Viereinhalb Stunden vor Abflug bin ich also da. Ich hatte wirklich mit massiven Verspätungen gerechnet. Aber diverse Kaltgetränke später kann ich auch den gut gefüllten Flieger besteigen, um über Istanbul nach Kathmandu zu reisen. Dort gibt es Übrigens das gefühlt teuerste Bier der Welt. Acht Euro für 660ml. Na dann, Prost!
10.02.2022
11.00 h. Nach gutem Schlafen an Board landen wir 15 Minuten früher als geplant in Kathmandu. Ich bin mir sicher, alle Dokumente, Impfpass, PCR-Test, etc. dabei zu
haben. Doch es fehlt noch das Visum. Bekommt man glücklicherweise aber seit letztem Jahr auf dem Flughafen ausgestellt. Also ab zur Passkontrolle. Diese ist die längste, die ich je hatte. Ich
stehe über eine Stunde an, obwohl die Passagieranzahl an den einzelnen Countern überschaubar ist. Aber auch das vergeht. Natürlich hat der, von meinen gebuchten Hotel geschickte Fahrer, es nicht
so lange ausgehalten und hat das Weite gesucht. Super. Aber nach einigen Telefonaten voller Misskommunikationen schnappe ich mir selbst ein Taxi und lasse mich in die Stadt bringen zu meinem
Hotel. Oder zu dem, was der Fahrer meint, mein Hotel sein zu müssen. Er hat nämlich null Plan. So werde ich zwar im richtigen Stadtteil abgesetzt, jedoch um Einiges entfernt von meinem Domizil.
Corona sei Dank mussten sich die meisten Tourguides neue Betätigungsfelder suchen. So habe ich Glück, dass an der Ecke, an der ich ausgesetzt wurde, zufällig ein deutschsprachiger „Neuverkäufer“
sitzt und er mir behilflich ist.
So finde ich schlussendlich auch zu meinem Hotel. Der Besitzer ist sehr nett, zeigt mir mein Zimmer und erklärt mir alles. Auch wie man abends - im Falle eines
längeren Wirtshausbesuches - das alte, rostige Rolltor am Eingang öffnet. Auf Kneipentour hab´ ich eigentlich keine Lust. Aber wer weiß. Ich beschließe, nachdem ich Quartier bezogen habe, mich um
die Nahrungsaufnahme zu kümmern. Dank Wifi und Google Maps ist das easy. Also stürze ich mich in das frühabendliche Thamel, dem Touristenviertel von Kathmandu. Es ist, wie ich es dachte, ein Mix
aus Lautstärke, Dreck und tausenden Schildern. Es tuckert, es hupt und es schreit von allen Seiten. Aber so ähnlich ist Bangkok oder Havanna auch. Nur, dass die Leute hier ärmer sind. Jedoch
nicht ganz so arm wie in Kampala, Uganda. Das durchschnittliche Jahreseinkommen (!) in Nepal liegt bei 300,- Euro! Krass. Davon merkt man hier im Touristenviertel nicht viel. Hier und da mal
zerfallene Häuser, für die das große Erdbeben von 2014 verantwortlich ist. Der Rest ist „aufgehübscht“ für die Touristen aus aller Welt. Unfassbar viele Leuchtreklamen und Schilder weisen auf
Restaurants, Spaß und Wechselstuben hin. Gepaart mit den tausenden kleinen Läden eine echte Belastungsprobe für europäische Augen. Ich habe ein kleines Restaurant um die Ecke im Visier mit
veganer Küche. Nicht wirklich einladend sieht es hier aus. Aber ich bin Einiges gewohnt und lasse mich nicht abschrecken. Und am Ende schmeckt es ja auch. Und auch mein Magen behält es bei sich.
Hier mal ein Tipp an alle Nichtveganer... Anfangs erstmal auf Fleisch und zu scharfe Gewürze verzichten, dann bleib auch eigentlich alles drin;).
Ich bin müde von der Anreise und beschließe, mich zeitig auf s Ohr zu hauen. ́ Ich schlendere ins Hotel, um meinen Plan zu verwirklichen. Dort angekommen habe ich wieder Wifi und erhalte via Instagramm eine Nachricht. Sie ist von Gabu, dem Projektleiter von Skateaid, vor Ort. Er ist spontan nach Kathmandu gekommen, um Besorgungen zu machen und fragt mich, ob ich auf ein Bier rumkomme. Ich hadere. Schließlich kenne ich mich und Gabu auch gut genug, um zu wissen was passieren könnte. Ach, na ja, auf eins geht schon.... Es ist 2.30 Uhr und Gabu möchte gehen. Wir sitzen auf der Terrasse meines Hotels und haben gut einen sitzen. Hmmm, das mit dem „auf eins“ hat wohl nicht so gut geklappt. Und das Fachwissen, welches ich mir über das Öffnen des Rolltors angeeignet hatte, ist nun doch von Nöten. Tja, was soll ich sagen. So ist das manchmal. Und außerdem war es extrem kurzweilig. Ich hatte ja im Ugandabericht schon erwähnt, das Gabu ähnlich wie ich ist, nur krasser. Und so findet man erwartungsgemäß auch Unmengen an Gesprächsstoff. Mit einem lauten Knattern und unter unserem Gelächter öffne ich das Rolltor und entlasse Gabu in die Nacht. Wir sehen uns ja dann in zwei Wochen in Butwal.
11.02.2022
Mein erster kompletter Tag in Nepal beginnt mit einem Hangover. Zumal es zum Schluss irgendwas mit Cola gab. Ein Getränk, das meinem Körper zuwider ist. Na ja, wird
es eben ein langsamer Start in den Tag. Frühstück ist voll ok und ausreichend. Und einen kurzen Powernap später geht es auch wieder halbwegs. Ich will mir ´nen Überblick verschaffen über die
Stadt und begebe mich auf eine der umliegenden Dachterrassen mit Blick auf die Stadt. Wahnsinn. Eine Verschachtelung und bisweilen willkürliche Anordnung schier nicht enden wollender bunter
Häuser. Ich bin verliebt. Ich liebe solche Ausblicke, weil man sich darin verlieren kann und so viele Sachen sehen kann. Eine Kamera habe ich nur eine kleine dabei, aber das ist erstmal noch
unwichtig. Ich bestelle einen Kaffee und halte etwas Smalltalk mit dem Kellner. Dazu bestelle ich ein paar Momos. Das sind Teigtaschen mit diversen Füllungen. In meinem Fall natürlich mit
Gemüsefüllung. Von hier aus kann ich Swayambhu Stuba sehen, den sogenannten Affentempel. Eigentlich mag ich Tempel nur bedingt, aber hier in Kathmandu sind schon zwei bis drei dabei, die anders
sind, und meiner Meinung nach sehenswert. Also beschließe ich spontan, besagten Tempel zu besuchen. Eine halbe Stunde Fußmarsch hatte der Kellner gesagt.
Also los. Gleich mal raus aus Thamel wird es schon etwas rougher. Nicht touristisch schön gemacht, zeigt sich Kathmandu hier von einer anderen Seite. Es ist
dreckiger und mehr Müll, besonders am Fluss, dessen Brücke ich überqueren muss. Das Müllsystem hier ist, bescheiden ausgedrückt, eher mäßig entwickelt. Irgendwelche Leute schaufeln schon im Müll
umher. Aber was die tun, bleibt unklar. Weiter geht es leicht bergan, entlang der Straße zum Tempel. In einigen der uneinsehbaren Kurven ist das echt ´ne Art Selbstmord auf Raten. Man hat das
Gefühl, jederzeit könnte es passieren. Zwar würde man vorher noch mittels Hupton gewarnt, jedoch käme der Treffer trotzdem. Ich schaffe es durch besagte Kurven, eng entlang der Mauer, bis die
Straße wieder übersichtlicher wird. Der Tempel kommt in Sichtweite und schlagartig wird die Gegend wieder „vornehmer“. Unten angekommen stehe ich vor den 365 Stufen, die hinaufführen zum
eigentlichen Tempel. Ich bin die ersten 30 gegangen, da erregt etwas meine Aufmerksamkeit. Am unteren Ende der Treppe wird ein Mann von einem Polizisten auf martialische Weise bearbeitet. Alle
stehen drum rum. „Krasser Scheiß“, denke ich und gehe weiter. Besser ist das vielleicht. Die wahre Herausforderung dieser Treppe ist nicht ihre wirklich bemerkenswerte Steilheit, sondern die
tausenden Scheißhäufchen der Affen, welchen auszuweichen einem Tetris-Level in den Hunderter-Sphären gleicht. Sind bestimmt „Makaken“ :)
Flachwitz beiseite, oben sauber angekommen, offenbart sich eine wunderschöne Tempelanlage, die ihresgleichen sucht. Ich laufe umher und lasse alles auf mich wirken. Einzig nervig sind die „Guides“, die sich ständig anbieten. Viele Bettler sind hier auch vor Ort. Ein Anblick, an den ich mich gewöhnen muss, auch wenn ich es ahnen konnte. Schon Wahnsinn was Religionen so alles aus dem Boden stampfen. Einer der Guides geht mir nicht mehr von der Backe und ich beschließe, wieder zu gehen. Ich gehe zurück ins Hotel. Ich brauche wohl noch ´nen Powernap. Gesagt, getan. Als ich erwache, ist es bereits dunkel und ich begebe mich auf Nahrungssuche. Ich finde ein kleines, von Einheimischen betriebenes Restaurant und probiere erneut nochmal die Momos, diesmal gibt es sie mit Kartoffelfüllung. Könnt ich mich dran gewöhnen, und by the way kosten die hier 110 NPR, was umgerechnet 85 Cent entspricht. Dafür bekommt man zehn Teigtaschen mit scharfer Soße. Läuft. Auf dem Rückweg hole ich noch zwei Bier, von denen die Flasche 350 NPR kostet. Also Essen statt Saufen. Kriege ich hin. Auf meiner kleinen Hotelterrasse lasse ich mit den Bieren den Abend gemütlich ausklingen.
12.02.2022
Nach dem Frühstück bestellt mir mein Gastgeber, Yogendra, ein Motorradtaxi. Ich will heute zum Pashupatinath Tempel, einer großen Tempelanlage am Fluss, in der die
Leichen der Verstorben in einer feierlichen Zeremonie verbrannt werden. Es ist eine 20minütige Fahrt dahin. Dabei geht es über den menschenvollen Markt, und durch den nepalesischen Morgenverkehr.
Nepalesischer Straßenverkehr ist ein gefühltes heilloses Durcheinander, das aber scheinbar gut funktioniert. Wo Platz ist, wird gefahren und mittels Hupen werden die anderen gewarnt wenn man sich
ihnen nähert. Für Europäer aber doch sehr abenteuerlich und unübersichtlich. 125 NPR, umgerechnet 0,95 Cent, kostet mich das Abenteuer, Adrenalinausstoß garantiert. Wir erreichen die
Tempelanlage. Hier herrscht erneut Reizüberflutung für meine Augen. Bunt, laut, schrill und nochmal bunt. Ein einziges Farbenmeer. Da ich mir keine Simkarte für Nepal geholt habe, habe ich keine
Internetverbindung. So verabrede ich mich mit meinem Fahrer zu einer bestimmten Zeit. Ich begebe mich zum Tempel. Am Rand sitzen überall Sadhus. Die sind die meist angemalten Wandermönche, welche
in Armut leben, um nicht wiedergeboren zu werden. Ich mache ein Foto. Wie nicht anders zu erwarten möchten die Mönche Geld dafür. Soviel dazu.
Nachdem ich Eintritt bezahlt habe, laufe ich hinunter an den Fluss, zum Zentrum der Anlage. Dort wird gerade ein Leichnam gewaschen und gesalbt, bevor er zur
Verbrennung kommt. Das Ganze findet unter den Augen der teils bitter weinenden Angehörigen und Freunde statt. Ich muss schlucken und lasse das alles auf mich wirken. Man geht hier eben anders mit
dem Tod um als in unserer westlichen Kultur. Zu lange möchte ich mir das aber nicht ansehen. Auf der anderen Seite des Flusses gehen Treppen hinauf zu einem weiteren Teil der Anlage. Die Treppe
ist gepflastert von bettelnden, teils stark verstümmelten Menschen. Was ich davon halten soll, weiß ich nicht und es obliegt mir auch nicht das zu be- oder verurteilen. Befremdlich ist es jedoch.
Oben erwartet mich ein ruhiges Areal, voller kleiner Tempel und Statuen. Leute sitzen vereinzelt im Schatten und lassen sich von den Gurus ihre Zukunft vorhersagen. Andere meditieren vor sich
hin. Ich bin kein riesen Tempelfan und mich interessiert nicht jedes Detail. Die meiste Zeit schlendere ich durch die Anlage und lasse alles auf mich wirken. Und natürlich kommen mir dabei
zahlreiche Fotomotive in die Finger. Allerdings gebietet es der Respekt, dass ich Bettler, Tote und Kinder nicht fotografiere und alle Anderen natürlich vorher um Erlaubnis frage.
Die Zeit vergeht wie im Flug und ich begebe mich wieder zum Ausgang. Der Fahrer wartet, überpünktlich und wie abgemacht. Ich schwinge mich auf den Rücksitz und wir fahren zurück Richtung Thamel. Sicher setzt er mich auf dem Asan-Markt ab. Das Gedränge ist jetzt noch größer als am Morgen. Ich habe Mühe, mich zu orientieren, bekomme es aber irgendwie hin. Allerdings stressen mich auch hier, wie fast überall, die nervigen Typen, die mich immer und überall anlabern. Mal wollen sie angeblich nur ihr Englisch verbessern und mal mir die Stadt zeigen. Am Ende wollen sie aber immer Geld. Manche wird man dabei echt nur schwer wieder los. So ist es nicht verwunderlich, dass ich irgendwann genervt das Weite in Richtung Hotel suche. Spinnen doch, die Nepaler ;) Zurück im Hotel läute ich mit einem Powernap den Abend ein. Ich gehe danach in ein kleines, einheimisches Restaurant um die Ecke, esse dort erneut Momos und trinke ein bis zwei Kaltgetränke. Auf der Terrasse lasse ich erneut den Tag ausklingen.
13.02.22
Ich bin letzte Nacht spät eingeschlafen und hab auch nicht gut geschlafen. Dementsprechend spät frühstücke ich auch. Ich habe mir vorgenommen, heute ein paar Bilder der Stadt von den umliegenden Hügeln aus zu machen. Dafür besorge ich mir wieder ein Motoradtaxi. Diesmal einen von Yogendras Freunden. Na hoffentlich fährt der besser, als er seine Zähne pflegt, denke ich mir. Satte vier Stück besagter Kauwerkzeuge darf dieser noch sein Eigen nennen. Na ja, wird schon. Aufsitzen und los. 500 NPR für hin und zurück. Ich hatte via Google einen vermeintlich schönen Platz ausgespäht zum Knipsen. Aber schon bei der Erklärung, wo dieser sich befindet, hätte ich stutzig werden sollen. Es ist wie bei den Videospielen der 90er als „Space Invader“. Allem, was entgegenkommt, muss ausgewichen werden und jede Lücke darf genutzt werden. Fehlt nur der Videospielsoundtrack. Raus aus Thamel bekomme ich einen weiteren Eindruck vom wahren Kathmandu. Es ist staubig und ärmlich. Kinder spielen im Dreck, überall wird Müll verbrannt. Der Punkt, zu dem ich will, ist eine überdimensionierte große Schaukel, mit traumhafter Sicht auf die Stadt, welche man aber nur über eine Treppe zu Fuß erreicht. Er würde dann kurz unten auf mich warten. Die Schaukel kann ich rechts oben auf einem Berg ausmachen. Mein Fahrer allerdings nicht. Der nickt nur und sagt „jaja“. Scheinbar kennt der sogar die Bedeutung dieser Worte. Wir haben die Schaukel längst hinter uns gelassen, und ich bin immer noch der Meinung, der Fahrer kennt vielleicht einen Geheimweg. Anders kann ich mir die Fahrt auf der Schotterpiste nicht erklären. Er stoppt an einem Tempel. Erst jetzt bin ich mir sicher, er hatte keine Ahnung wo ich hin wollte. Nachdem ich mit Händen und Füßen, wie ein Pantomime erkläre, der ich zur großen Schaukel will, sagt er schlichtweg: „ Can t get there by bike.“. „Trottel, elender“, denke ́ ich. Allerdings lenke ich ein, da auf dem bis hierher gefahrenen Weg auch zwei oder drei schöne Aussichten waren. Und so, und auch um weitere Erklärungen zu vermeiden, lasse ich ihn an besagten Orten stoppen. Dann raucht er eine und ich knipse. Ich hoffe noch, dass er sich vielleicht doch an meinen ursprüngliche Wunsch entsinnt und dort stoppt. Da lag ich falsch. Und zack sehe ich besagte Schaukel wieder links hinter mir oben auf dem Berg, von dem wir kamen. Dafür lasse ich ihn jetzt dann aber aller 500m anhalten, um zu knipsen. Soll er sich doch tot rauchen. Freunde werden wir beide wohl nicht. Schlussendlich lasse ich mich am Dunbar Square, dem kulturellen Zentrum der Stadt, von ihm absetzen. Widerwillig geb´ ich ihm sein Geld und verabschiede mich. Ich zahle am Square den Eintritt und möchte mir in Ruhe dieses Weltkulturerbe anschauen. Doch hier werde ich erneut ständig angelabert. Und so langsam bin ich genervt von dieser Art, den auch hier sind manche echt penetrant. Also verlasse ich auch diesen Ort, und begebe mich zum Hotel. Allerdings nutze ich aus, dass ich heute meine Vollformatkamera dabei habe und knipse das quirlige Treiben in der Stadt. So muss es ungefähr in einem Ameisenbau zugehen. Am Abend finde ich via Google und den Bewertungen ein super veganes Restaurant, in dem ich extrem lecker zu Abend esse. Es gibt gebratenen Reis mit Saitanstreifen. Und nachdem ich auch den Teil, in dem sich dieses Restaurant befindet, etwas unter die Lupe genommen habe, gönne ich mir noch ein Kaltgetränk und schlendere durch das nächtliche Lichterensemble „heimwärts“.
14.02.22
Ich habe heut Geburtstag. Ich werde 43. Scheiße ey :) Ich beginne den Tag recht früh und mache mich erneut auf zum Monkey Tempel. Ich will nochmal Bilder machen von
der schönen Aussicht auf Kathmandu. Früh zeigt sich einmal mehr das wahre Gesicht der Stadt. Überall brennen kleine Feuer an denen Menschen sitzen. Es ist Müll, den sie da verbrennen, und den es
in der Stadt im Überfluss gibt. Ich schlendere durch das erwachende Kathmandu und stoppe immer mal für Bilder. Durch kleine Gassen suche ich mir einen alternativen Weg zum Tempel. Dort angekommen
steige ich die Stufen empor. Tja, das mit der feinen Aussicht wird wohl heut eher nix. Der Rauch der Feuer liegt als seichter Schleier über der Stadt. Selbst die emporkommende Sonne hat es
schwer, hindurch zu scheinen. Aber es ist superschön da am Morgen. Eine Szenerie aus sich sportlich betätigenden Menschen, Betenden und einer Gruppe älterer Menschen singt zusammen Mantras. Ich
lasse das alles auf mich wirken und laufe langsam durch die Anlage. Ich gönne mir einen Kaffee und begebe mich wieder auf den Rückweg, welcher mich zum Asan Markt führen soll. Ich finde
problemlos dahin und muss auf den letzten Metern nur noch dem stetig wachsenden Menschenstrom folgen. Der Markt ist picke packe voll. Überall an den Rändern der Gassen sitzen Händler*innen und
bieten alles Mögliche an Obst und Gewürzen an.
Jede und jeder versucht dabei, so laut wie möglich die eigenen Waren anzupreisen. Ein Gewusel und Lärm der noch durch die sich durch die Massen schlängelnden Motorräder verstärkt wird. So geht es nicht vor und nicht zurück stellenweise. Ich cancele meinen Plan, auf dem Markt zu essen und esse später im Hotel. Mir ist es zu voll. Für ein paar Fotos ok, aber nicht, um dort zu essen. Ich kehre zurück ins Hotel, frühstücke und lege mich wieder ab. Heute will ich meine Ruhe. Allerdings überkommt mich der spontane Gedanke, mir selbst was zu schenken. Und warum nicht tätowieren. Ich hatte zu Hause kurz mit dem Gedanken gespielt, ihn aber wieder verworfen. Doch jetzt holt er mich wieder ein. So suche ich nach meinem erneuten Schlaf den zuvor gegoogelten und bestens bewerteten Tätowierer auf, und hoffe er hat spontan Zeit. Hat er leider nicht, dafür am nächsten Tag. So kaspern wir aus, was genau wir machen. Ich mache einfach einen weiteren Teil meines rechten Armes, dessen Motto NYHC ist. Es ist also nicht schwer ein paar Motive zu finden. Sehr viel mehr passiert an diesem Tag auch nicht. Ich freue mich über zahlreiche Glückwünsche der wichtigsten Menschen in meinem Leben. Bin allerdings auch wieder einmal sehr erschrocken über das Nutzungsverhalten und die Aufmerksamkeit Vieler in den sozialen Medien. Na ja, in ein paar Jahren werden wir über social Media wahrscheinlich lachen und es so abtun, wie wir heute Second Life und Tamagotchis abtun. Einfach nur ein Spielzeug der Zeit. Wenn auch nicht ungefährlich. Ausklingen lasse ich den Tag mit gutem Essen und zwei Kaltgetränken.
15.02.22
Heute ist Tattootag. Ich stehe spät auf und esse extra etwas später Frühstück, um beim Tätowierer nicht vom Stuhl zu fallen. Vorher trinke in der Nähe des Tattoostudios noch zwei Kaffee. Dann ist die Zeit auch schon ran. Mein Tätowierer, Rozan, hat die Motive ausgearbeitet und wir müssen nur noch die exakten Stellen und Größen besprechen. Es sind drei kleinere Motive, welche vom unteren Teil des rechten Oberarms, über den Ellenbogen bis zum oberen Teil des Unterarms reichen sollen und an mein bestehendes Tattoo anschließen sollen. Was die genauen Motive sind, tut hier nix zur Sache. Mancher wird sie eh sehen ;) Die Atmosphäre ist super relaxed. Rozan und die anderen aus dem Studio sprechen super Englisch und so wird es nie langweilig. Hin und wieder machen wir kleine Pausen und Rozan raucht eine. Ich bekomme Kaffee und sogar Essen. Momos natürlich, was sonst. Im einheimischen Style allerdings, mit einer zweiten Sauce. Hervorragendes Geburtstagsgeschenk denk ich mir. Sollte ich jedes Jahr so machen. So vergehen die insgesamt sechs Stunden wie im Flug. Und ich finde ,das Ergebnis kann sich echt sehen lassen. Rozan ist sehr detailverliebt und deshalb die reine Tattoozeit von ca. fünf Stunden. Gekostet hat das Ganze umgerechnet 125 Euro. Fast schon ein Witz. Und hinter einem deutschen Tätowierer müssen sich die Jungs hier nicht verstecken, im Gegenteil. Nach alledem esse ich im veganen Restaurant um die Ecke zu Abend und begebe mich zurück ins Hotel. Dort habe ich ein langes Gespräch über alles Mögliche und zwei Bier zusammen mit dem Besitzer. Auch das ein schöner Ausklang für einen weiteren Tag in der nepalesischen Hauptstadt.
16.02.22
Zeitig verlasse ich das mir liebgewonnene Nest meiner Unterkunft. Tagesplan ist Bhaktapur. Die Stadt südöstlich von Kathmandu. Das kulturelle Zentrum des Landes.
Ich laufe zur Busstation und frage mich nach dem Bus zu meinem Ziel durch. Etwas hektisch werde ich herbei gewunken und in Null Komma nichts sitze ich im Bus nach Bhaktapur. Ob es wirklich der
richtige Bus ist, werde ich schon sehen. Es ist einer dieser typischen kleinen asiatischen Busse, mit engen Sitzen und Musik on board. Ein junger Kerl steht an der Tür und sammelt zum Soundtrack
der nepalesischen Ballermannhits die Leute an den Haltestellen ein. Dabei schreit er bei der Anfahrt auf ein Haltestelle laut das Ziel und springt dann raus, um die Leute zügig in den Bus zu
schieben. Asiatisch eben. Heißt aber auch, billig, 25 NRP, umgerechnet 20 Cent, kostet die Fahrt. Auf der Straße sehe ich heute unheimlich viel Polizei. Wie ich später erfahre, demonstrieren
Jugendliche und Studenten gegen einen amerikanischen Großinvestor, für dessen Projekt hier die Army stationiert werden soll. „Typisch Amerikaner“, denke ich und schüttele den Kopf.
Wir kommen tatsächlich meinem Ziel näher, ich muss mich allerdings einige hunderte Meter entfernt am Straßenrand absetzen lassen, da der Bus nur daran vorbeifährt.
Naja, laufen heißt auch meist mehr zu sehen. Und so laufe ich durch einen Vorort hoch zum Zentrum von Bhaktapur. Ich lasse mich erstmal für einen Kaffee auf einer der Dachterrasse nieder und
verschaffe mir einen Überblick über das Zentrum, den Dunbar Square. Zu sehen gibt es Tempel und alte Gebäude. Schön, aber auch irgendwie immer ähnlich. Deshalb wird auch mein anschließender
Rundgang eher kurz. Es sind wie gesagt alte Häuser und Tempel, vor denen abermals chinesische Pärchen posieren und die vermeidlichen Guides auf Touristen warten, um sich anzupreisen. Das Areal
ist schön, aber es ist eben immer derselbe Tourikram. Mich persönlich nervt das. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Zumindest hatte ich Glück, mich da eher zufällig ohne die 15 Dollar
Eintritt reinmogeln zu können. Bevor ich mich auf den Rückweg begebe, gönne ich mir ein Kaltgetränk und esse ein Dal Baht. Danach laufe ich zur nächstgelegenen Bushaltestelle. Natürlich nicht,
ohne dabei noch ein paar Fotos vom Straßenleben, welches deutlich interessanter ist, zu machen. Die vermeidliche Bushaltestelle funktioniert auch nach dem „hopp on - hopp off – Prinzip“. Nur
kommt ewig kein Bus. Ein älterer Herr quatscht mich an, fragt mich, wo ich hin will und versucht mir zu helfen. Heute ist das aufgrund der Demo etwas schwieriger mit dem Bus, sagt er. So
entscheide ich mich für ein Motorradtaxi für die 16 Kilometer Rückweg. Gute Entscheidung. Zwar ist die Demo schon vorbei, aber durch den dadurch entstandenen Stau geht es mit dem Motorrad dann
doch viel schneller.
Der restliche Abend fällt verhalten aus, da ich am Morgen ins 200 Kilometer entfernte Pokhara reisen will, um an einem Yoga-Retreat teilzunehmen. Also packe ich, zurück im Hotel, meine Sachen zusammen, und gehe ein vorerst letztes Mal in Kathmandu auf die abendliche Jagd nach Nahrung. Und nach zwei abschließenden Bieren auf der Dachterrasse bin ich bereit für einen neuen Abschnitt dieser Reise.
17.02.22
5.45 Uhr holt mich das Klingeln des Weckers aus meinem wohlig, warmen Nest. Der nächste Abschnitt meiner Reise soll wie gesagt ein Yoga-Retreat im 200 Kilometer
entfernten Pokhara sein. Die Stadt ist die zweitgrößte des Landes. Sie liegt umgeben von Bergen an einem wunderschönen See und ist der Ausgangspunkt für die meisten Trekkingtouren ins Annapurna-
und ins Himalayagebirge. Kurz nach sechs bin ich bereit, schnappe mir meine Sachen und laufe zu der einen Kilometer entfernten Busstation. Vorbei an den kleinen Feuern, die hier und da lodern, um
den Müll zu verbrennen, erreiche ich die Station 15 Minuten später. Das Ticket hatte ich tags vorher an einem der vielen Ticketcounter geholt. 1000 NPR, ca. 7 Euro, kostet mich die Reise. Ich
lade meinen Rucksack in den Bus und der „Busgehilfe“ weist mir einen Platz zu. Es ist zwar ein Touristenbus, aber komfortabel, es ist definitiv Platz. Mein Sitzplatz ist genau über der Achse, was
ich sofort bei der Abreise zu spüren bekomme. „Das kann ja was werden“, denke ich mir. Um 7.00 Uhr starten alle dort stehenden Busse, ca. zehn oder zwölf, gleichzeitig. Der daraus resultierende
Stau ist vorprogrammiert. Das fühlt sich an, als hätte man einem Gerüstbauer die Koordinierung der Kölner Busbetriebe überlassen. Lustig anzusehen ist es allemal.
Der Bus stoppt noch einige Male und ruckzuck ist er bis zum letzten Sitzplatz belegt. Natürlich auch der Sitz neben mir. Schlafen fällt jetzt endgültig aus. Es
dauert eine ganze Weile, bis wir das Moloch Kathmandu verlassen und uns über den ersten Pass quälen. Die Straßenverhältnisse sind gelinde gesagt, bescheiden. Schlaglöcher in Badewannengröße,
komplett asphaltdeckenbefreite Abschnitte und der nepalesische Straßenverkehr machen das Ganze zu einem Offroadabenteuer mit Kuschelfaktor. Und spätestens hier hege ich Mordgelüste gegenüber dem,
der mir den Platz zugewiesen hat. Nach anderthalb Stunden stoppen wir, da das Geholper den mitreisenden Hund zum Erbrechen gebracht hat und der Busfahrer darauf besteht, dass der Besitzer das
Erbrochene entfernt. Willkommen in Nepal. Der Stopp kommt aber irgendwie allen gelegen, um sich nach kurzer Pause neu in ihren Sitzen zu justieren. Weiter geht unsere Offroadsafari. Auf und ab,
über schlaglochübersäte Passstraßen mit sagenhaften Ausblicken und durch satte fruchtbare Täler, durch die sich der Fluss Trishuli schlängelt. Das entschädigt zumindest etwas für das Gehüpfe auf
meinem Sitzplatz. Mit Kopfhörern auf den Ohren lasse ich Landschaft und das emsige Treiben an mir vorbeiziehen. Irgendwann nach fünf Stunden stoppen wir zum Mittagessen. Ein mit Wellblech
verschlagenes Großrestaurant, in dem es in einer Art Großküche zum Preis von 2 Euro Dal Baht gibt. Dabei kann man beliebig oft Nachschlag holen. Und lecker ist es obendrein. Es folgt der letzte
Abschnitt nach Pokhara. Wir passieren zwei Busse, die am Straßengraben liegen, was nicht hilfreich ist, wenn man eh schon skeptisch ist bezüglich der Fahrweise der Nepalesen. Weiter geht es die
letzten Kilometer auf einer extrem staubigen, von Asphalt befreiten Straße, welche in keiner Konkurrenz zu heimischen Waldwegen steht. Kurz vorm Ziel dann wieder geteerte Straße.
Nach sage und schreibe achteinhalb Stunden erreichen wir im gerade einsetzenden Regen Pokhara. Schon beim Einparken des Busses kommen zahlreiche Taxifahrer aus allen Ecken gelaufen, um wie die Kälber am Futtertrog über das Futter herzufallen. Sie belagern regelrecht die Tür des Busses, was mich wirklich aggro werden lässt. Mit finsterer Miene und mehreren deutlichen und laute „Neins“ bahne ich mir den Weg durch die Kälber. Jetzt schnell. Kapuze auf, Rucksack geschnappt und erstmal loslaufen. Schnell weg hier. Google sagt mir, dass es nicht weit zu meinem „12 Euro inklusive Frühstück-Hotel“ ist. Und ca. 15 Minuten später erreiche ich es dann auch. Der Besitzer wartet bereits auf mich und freut sich sichtlich. Schließlich bin ich sein einziger Gast und noch dazu ein Europäer. Covid hat hier ganz schön an allen genagt. Vor Corona war Pokhara ein florierender Ort mit tausenden Gästen aus aller Welt. Heute ist die Touristenzahl, vor Allem die reicher Europäer, überschaubar. Der Besitzer serviert mir einen Kaffee, nimmt meine Daten auf und wir quatschen noch eine ganze Weile. Nachdem ich meine Sachen dann auf ś Zimmer gebracht habe und der Regen nachgelassen hat, begebe ich mich auf allabendliche Nahrungssuche. Schnell werde ich fündig und bestelle mir in einem kleinen einheimischen Restaurant Momos, Chowmein (gebratene Nudeln) und einen Tee. Das Ganze kostet mich ca. 1,80 Euro alles zusammen. Läuft. Ich laufe noch etwas umher, hole mir die letzten zwei Bier für die kommende Woche und gehe zurück ins Hotel. Dort gönne ich mir die beiden Kaltgetränke auf der Dachterrasse. Einzig ein Blick auf die naheliegenden Berge bleibt mir heute aufgrund der Wolken verwehrt.
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Daniel Buchwald (Freitag, 11 März 2022 21:26)
Perfekt.ein sehr schöner Bericht✅Nepal steht auf jeden Fall auch noch auf meiner Liste ��