Yoga Retreat Pokhara (18.02.22- 25.02.22)
Die folgenden Tage fasse ich etwas zusammen, da die Tagesabläufe teils ähnlich waren.
Ich bin also in Pokhara, der
zweitgrößten Stadt Nepals. Als ich morgens im Hotelzimmer erwache
und aus dem Fenster schaue, traue ich meinen Augen kaum. Hinter den
benachbarten Hotels ragen die Berge des Himalayas und der
Annapurnamassive hervor. Ruck zuck schnelle ich unter meiner Decke hervor und hau´ mir Wasser und Zahnbürste ins Gesicht, um schnellstmöglich bereit für einen kleinen Spaziergang - natürlich mit Kamera - zu sein. Aber erst mal raus, Dachterrasse...bääääm.... was für ein Anblick. Ich stehe hier einfach mal am Fuße der höchsten Berge der Welt. Ich, Klein-Jörg, aus ́m Erzgebirge. Krass.
Kurz lasse ich mich berieseln von den Bergen und der
morgendlichen
Stimmung, bevor ich aufbreche. Der Besitzer meines Hotels hatte mir einen
Tipp gegeben, wo ich einen schönen Fotospot finde. Diesen erreiche ich dank der
Komoot-App recht unkompliziert. Er ist etwas mehr als einen Kilometer entfernt am spitz zulaufenden Ende des Ostufers des Sees, an dem Pokhara liegt. Der Besitzer hatte nicht zu viel versprochen. Vor mir das ruhige Wasser des Sees, in dem sich die im Hintergrund befindlichen Bergkulisse spiegelt. Es ist
malerisch. Postkartenmotiv. Überwältigt von dieser Schönheit, die
ich eine ganze Weile auf mich wirken lasse, knipse ich mich nach
zahlreichen geschossenen Bildern, weiter entlang des Seeufers. Es
ist "photographers paradise", in dem ich hier gelandet bin. Die
Berge, die Menschen, die bunten Boote am Ufer des Sees und die
ganzen uns fremden Kuriositäten sind unbeschreiblich. Ewig habe ich allerdings leider nicht Zeit, da ich gegen vier Uhr abgeholt werde zum Retreat. So entscheide ich mich dafür, nochmals schön essen zu gehen und vor Allem noch
zwei Kaffee zu trinken. Beim Retreat wird es eine
Woche lang keinen geben. Danach geh ich zurück ins Hotel.
Kurz vor vier Uhr hupt es in der Einfahrt meines Hotels. Pünktlicher als besagte deutsche Maurer ist mein Taxi da. Vor mir steht ein junger Kerl, Prabhakar, im Anzug und mit Samthandschuhen. Oh fuck, Sekte, denke ich und steige fast widerwillig ein. Ich hatte mir vorab ein Yoga-Retreat gebucht, um in einem der Mutterländer des Yogas etwas mehr darüber zu erlernen, als von Madi Morrison auf YouTube. Und vor Allem ganzheitlich. Yoga ist definitiv keine Spinnerei und mehr als nur Gehampel auf einer Matte. Also wo kann man mehr darüber lernen als hier? Doch jetzt saß ich im Auto mit einem jungen Nepaller (ich will die so nennen) im Anzug und einer hübschen Nepallerin. Na ich werde ja sehen, denke ich. Wir fahren durch Lakeside, das Touristenviertel der Stadt, was mit jedem anderen asiatischen Touristenviertel konkurrieren kann. Es gibt wie überall die üblichen Bars, Diskotheken, Spas und den ganzen anderen Tourikram. Erst jetzt zeigt sich mir die Größe und das Ausmaß dieses Bettenburgenviertels. Ich bin froh, abermals eine gute Entscheidung mit meinem Hotel getroffen zu haben, abseits dieses Kasperletheaters. Wir verlassen den Ort und biegen im nächsten kleinen Ort auf eine Straße hinauf in die Berge ab. Straße ist ehrlich gesagt ein Kompliment für das, über was sich der kleine Kia Picanto gerade quälen muss. Selbst mit dem Fahrrad hätte ich hier Probleme. Aber mein Chauffeur im schicken Anzug scheint das öfter zu machen und steuert das japanische Kleinfahrzeug gekonnt über die Felslandschaft. Nach ca. zwei Kilometern bergauf erreichen wir das Retreatcenter. Ich werde freundlich von Mantra, einem der Trainer und Begründer, empfangen und zu meinem Zimmer gebracht. Ich stelle den Rucksack ab und gehe zurück hinunter zur Küche, wo ich auf einen Tee hinkommen soll. Die Aussicht ist überwältigend. Das Center liegt am Berg, es besteht aus fünf flachen, orangen Gebäuden mit Blick auf den See und die umliegenden Berge. Ringsum sind überall kleine, verstreute Bauernhöfe zu sehen. Bei dem Tee, den ich bekomme, lerne ich nach und nach die anderen Teilnehmer kennen, welche auch gerade Tee trinken. Es sind eine Deutsche, ein Engländer, eine Polin, eine Ungarin und ein Holländer da, deren Namen hier nicht genannt werden. Aber alle sind wirklich nett, und nebenbei erfahre ich, das Prabhakar, mein Fahrer, gerade von der Uni kam, in der er Bergtourismus studiert und er deshalb einen Anzug trägt. Haha, scheiß Vorurteile, Jörg.
Gegen fünf startet meine erste Yogastunde. Ich habe nicht viel Ahnung
von Yoga und lasse mich überraschen. Wir starten natürlich
mit "ooooommmm,....". Wie sollte es auch anders sein. Danach zeigt
uns Rach Übungen, die wir nachmachen. Die anderen Teilnehmer sind
fortgeschritten, aber dank meiner sportlichen Aktivitäten und
Stretchings zu hause, komme ich ganz gut mit. So sehr möchte ich
auch hier gar nicht auf Details eingehen. Man mag halt Yoga oder
eben auch nicht. Mit dreimaligem "Oooommmm" klingt die Stunde aus
und es ist Abendessenszeit. Wir sitzen alle zusammen, essen sehr
leckeres Essen und quatschen über Gott und die Welt. Fernab von Machogehabe und dem "Höher, schneller, weiter- Leben" daheim, ist die Welt in Ordnung. Gutes Essen und nette Gespräche...die Welt könnte so herrlich einfach sein, wenn sich jeder etwas zurücknehmen würde. Danach gehen alle in ihre Unterkünfte und der Abend geht zu Ende.
Der nächste Morgen startet um 6:30 Uhr mit einem wunderschönen Ausblick über den See und die aufgehende Sonne. „Malerisch“ ist das Wort, was mir dazu einfällt. Danach geht es zur morgendlichen Meditation. Die folgenden Tage,
mit Ausnahme von einem, sehen wie folgt aus: Aufstehen,
Morgenmeditation oder Silent walk. Danach gibt es Tee. Nach dem Tee
geht es weiter mit einer Yogastunde. Im Anschluss ist Frühstück.
Nach dem Frühstück haben wir bis mittags Freizeit, die wir mit
labern und chillen verbringen. Weiter geht es um 12:00 Uhr mit
Atemübungen, oder Yoga Nitra, einer Entspannungsform des Yogas, bei
der ich regelmäßig einpenne. Nach diesem Powernap gibt es dann Mittagessen. Jedes Essen ist frisch, vegan, und frei von jeglichen Zusatzstoffen. Meist kommt es aus dem eigenen Garten. Und es schmeckt auch noch wahnsinnig lecker. Bis fünf ist dann nochmals Freizeit, in der ich mal umherlaufe und Fotos mache, oder auch mal in Richtung Stadt laufe. Gegen halb fünf muss ich dann zurück sein, um Tee zu trinken und danach an einer weiteren Yogastunde teilzunehmen. Nach Beendigung dieser gibt es
gegen sieben dann Abendessen und danach sitzen wir entweder am Feuer
oder machen Yoga Chanting. Dabei sitzen alle zusammen und singen
Mantras. Jeder kann dazukommen und mitmachen. So sitzen mitunter
alle inklusive der Nachbarskinder zusammen und singen. Keiner ist
gezwungen, aber jeder darf, wenn er will, mitmachen. Wie gesagt, die
Welt kann so einfach sein. Danach ist Schlafenszeit. Der ganze
Retreat ist frei von jeglichen Zwängen. Man muss nicht alles
mitmachen und kann jederzeit etwas anderes tun. Aber es ist so eine schöne Atmosphäre, dass selbst eine musikalische Null wie ich mitsingt und sich von dieser guten Stimmung anstecken lässt.
Zum Yoga gehört neben der Meditation, die den Geist reinigen soll, den Atemübungen, den Asanans und Übungen, das Cleansing. Dabei reinigt man Nase, Magen und Darm. Bei der Nasenreinigung spült man die Nase mit Salzwasser, ähnlich der Spülweise bei uns daheim, mit den Schüssler Salzen. Lustiger wird das ganze bei der Darmreinigung. Dazu sitzen wir zusammen. Vor uns steht ein großer Topf mit warmem Salzwasser, von dem wir jeder zwei Gläser trinken. Danach machen wir fünf Yogaübungen. Darauf folgen zwei weitere Gläser Wasser. Dann wieder fünf Übungen, gefolgt von erneuten zwei Gläsern dieser warmen Salzbrühe. Und natürlich folgen fünf weitere Übungen. Man kann das ganze bis zu fünfmal wiederholen, wird es im Normalfall aber nicht schaffen, da sich ungefähr beim vierten Mal der Darm meldet und um dringliche Entleerung bittet. So rennen wir nach und nach los und haben den Schiss unseres Lebens. Alles, aber auch wirklich alles kommt dabei heraus. Eine natürliche und sanfte Art, seinen Darm zu reinigen. Klingt zwar komisch, ist aber durchaus ´ne ziemlich sinnvolle Sache. Die dritte Reinigung ist die Magenreinigung, welche wir allerdings nicht durchführen. Dabei trinken die Mönche oder Menschen die diese praktizieren, ca. 15 Gläser Salzwasser und erbrechen sich im Anschluss, um sich des gesamten Mageninhalts zu entledigen. Hier wäre ich auch freiwillig ausgestiegen. Man muss nicht jeden Quatsch mitmachen, auch wenn ich besagtem Sinn des Ganzen gar nicht widersprechen möchte.
In der Woche, welche ich in dem Retreat verbringe, machen wir noch
einen super schönen Ausflug. Dabei müssen wir zur unchristlichen Uhrzeit von 5:30 Uhr raus, um bereits im Paddelboot zu sitzen und über den See geschippert zu
werden. Am anderen Ufer geht es zu Fuß dann steil bergauf. Über
Treppen bahnen wir uns und den Weg durch den mystischen, vom Nebel
verschleierten Wald nach oben Richtung World Peace Pagode, einer der
bekanntesten Tempel der Umgebung. Kurz vor Erreichen dieses blinzelt
die Sonne durch die Nebelschwaden und einige Minuten später
durchbrechen wir den Nebel und stehen am Fuß der Tempelanlage. Vor
uns liegt ein Nebelfeld, welches Stadt und See unter sich verhüllt.
Gegenüber ragen die Berge des Annapurna Circuits in all ihrer
Mächtigkeit, aus dem Nebel empor. Sagenhaft. Wir entscheiden uns,
hier zu Frühstücken und dieses Panorama eine Weile zu genießen.
Danach gehen wir weiter zum Tempel. Für mich nur ein weiterer Tempel, für meinen Yogatrainer etwas Besonderes. Nach einer Weile ziehen wir weiter, hinauf zur Lord Shiva Statue. Erneut geht es über Treppen und Trampelpfade steil bergauf, bis wir diese, zugeben ziemlich kitschige Touristenattraktion erreichen. Aber naja, den angereisten Indern scheint es zu gefallen. Mir persönlich sind die angemalten Tänzerinnen und der als Buddha
verkleidete Tänzer samt ihrem affenähnlichen Gruppentanz ´ne Nummer
zu doof. Ich lasse den Zirkusquatsch links liegen und genieße die
Aussicht auf die gegenüberliegenden Berge.
Hinunter führt uns der Weg über verschlungene kleine
Pfade, vorbei an uns attackierenden Büffeln und über steile kleine
Natursteintreppen. Unterwegs treffen wir auf Bauern von denen sich
Mantra, unser Yogi, erst mal den Weg erklären lassen muss. Und wir
dachten, er kennt ihn. Der Weg zieht sich und irgendwann nach
zweieinhalb Stunden kommen wir wieder unten im Tal an. Wir sind
jetzt allerdings am hinteren Ende des Sees, von dem aus wir nun über kleine Brücken und Wege direkt zum Retreatcenter laufen können, ohne ein Boot chartern zu müssen. Nachmittags gegen halb vier sind wir zurück. Hinter uns liegen 20 Kilometer Fußmarsch und ca. 900 Höhenmeter. Aber definitiv war es das wert.
Die acht Tage Retreat vergehen wie im Flug. Der Abschied fällt mir gar nicht so leicht. Man hatte sich schnell an die friedliche Atmosphäre und das familiäre Umfeld gewöhnt. Und natürlich hab´ ich jede Menge gelernt. Aber wenn es am Schönsten ist, soll man bekannterweise ja gehen. Bei mir ist es gegen Nachmittag dann so weit. Ich lasse mich hinunter in die Stadt fahren, wo ich noch einen Tag verbringen will. Tags darauf klingelt mein Wecker zeitig. Draußen ist es noch duster. Aber man sieht bereits, dass es schön wird. Ich will meinen letzten Tag in Pokhara nutzen, um hinauf zum Viewpoint nach Sarankot zu laufen. Gegen sieben Uhr laufe ich los. Ich durchquere den noch verkaterten Stadtteil Lakeside, samt seiner noch schlafenden Althippies und Backpackern. Leben und leben lassen denke ich mir einmal mehr und marschiere weiter hinunter ans Ufer. Diesem folge ich, bis ich drei Kilometer später abbiege, um die vom Nebel verhüllten Berge hinauf nach Sarankot zu erklimmen. Dabei macht mich eine Sache etwas nervös. Tiger. Hier gibt es einen oder zwei freilaufende Tiger in den umliegenden Wäldern. Rach, der Yogatrainer, hatte ihn vor zwei Wochen am Nachbargrundstück gesehen. Allerdings würden sie Menschen nichts tun. Die essen nur Hunde und Ziegen, sagte er. Wie beruhigend... :-/ Aber erst mal mache ich es mir selber schwer, denn der von mir gewählte Weg ist der wohl steilst mögliche. Super. Aber vielleicht mögen es Tiger ja auch nicht so steil. So klettere ich durch ein ausgetrocknetes Flussbett und erklimme steile Natursteintreppen. Mich beruhigt, dass mir ein, zwei Menschen entgegenkommen. Allerdings ist der Aufstieg echt anstrengend. Vielleicht hat mich die "Tigerangst" das Ganze etwas zu schnell angehen lassen. Ich durchbreche die Wolkendecke und vor mir tut sich wieder dieser sagenhafte Mix aus Bergen und der dazwischenliegenden Wolkendecke auf. Traumhaft. Weiter geht es. Ich passiere erste kleine Dörfer und folge jetzt wieder befestigten Straßen. Hinter mir liegt das Panorama mit dem Berge-Wolken-Mix und vor mir tun sich jetzt die Gipfel des Annapurna Circuits auf. Irre. Ich passiere weitere Dörfer. Mehr und mehr werden diese etwas touristischer. Nicht zu sehr, aber merklich. Vereinzelt gibt es jetzt Läden mit dem üblichen Tourikram. Und schließlich erreiche ich Sarankot und den Viewpoint. Vor mir tun sich die Annapurna Berge in einem sagenhaften Panorama auf. Verflogen sind Erschöpfung und Tigerangst. Ich bin erneut überwältigt von der Schönheit dieser Region. Allerdings zwingt mich mein leerer Magen zu einem "Panoramafrühstück". Zugegeben - nicht der schlechteste Zwang. Ich lasse mich in einem nahegelegenen Restaurant nieder und gönne mir den zweiten Kaffee der Woche und ein ausgiebiges Frühstück.
Beim Abstieg lasse ich die Faulheit siegen, und entscheide mich für
die Seilbahn. Ich bin wirklich kaputt. Unten angekommen laufe ich
Richtung Hotel. Jedoch stoppe ich an der Promenade im Restaurant
"The Vegan Way", in dem ich Kaffee Nummer drei trinke und mir noch
einen Snack bestelle. Und einmal mehr kommt Gevatter Zufall, in
Gestalt von Kiki, um die Ecke. Kiki ist Kanadier, ebenfalls
Volunteer für Skateaid und hat mit Gabu den Skatepark hier gebaut.
Er war hier in Pokhara um ein bisschen Urlaub vom Skateparkbau zu
machen, und hatte kurz vor mir denselben Retreat besucht. Ich kannte
ihn nur von Fotos und Insta. Aber mit seinen 1,90m, blonden Locken und blauen Augen, war er hier echt nicht schwer zu erkennen. Wir feierten beide diesen Zufall und es wurde ein längerer Nachmittag im "Vegan Way". Die Chemie passte einfach und so entschieden wir uns, tags darauf zusammen im Bus nach Butwal, meinem eigentlichen Ziel dieser Reise, zu fahren.
The travellers world is a small family world!!
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Drean (Donnerstag, 17 März 2022 21:51)
Schön explizit geschrieben. � Sehr interessant, aufschlussreich und witzig. Die Bilder sind wieder einzigartig ��
Vanessa (Donnerstag, 17 März 2022 22:31)
Zulassen und sich erlauben. Man selbst entscheidet wie beschäftigt man eigtl. ist, es ist das eine Leben, man hat immer die Wahl. Es ist wirklich irre was du dir hiermit ermöglicht hast, der Eintrag liest sich grandios!
Andre (Freitag, 18 März 2022 09:32)
Sehr schön geschrieben....
Top....